Im Interview mit Power2Drive Europe erklärt Andreas Varesi, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands Beratung neue Mobilität e.V. (BBNM), warum politische Vorgaben wie die EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie (CSRD) und das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) essenziell für den Hochlauf der Elektromobilität sind.
Er beleuchtet, wie die Mobilitätswende Unternehmen und Gesellschaft prägt, welche Rolle Preisparität und Ladeinfrastruktur spielen und wie innovative Ansätze die Akzeptanz fördern können. Ein spannender Blick auf die Mobilität der Zukunft!
Schauen wir uns zunächst die CSRD an. Hier sind in Deutschland ca. 15.000 Unternehmen direkt von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und der Ergreifung entsprechender Maßnahmen betroffen. Viele der heute bereits berichtspflichtigen Unternehmen haben sich das strategische Ziel gesetzt, zwischen 2030 und 2035 ihre Flotte vollständig zu elektrifizieren. Da es sich hierbei um Konzerne handelt, sind die Fuhrparks entsprechend groß. Alleine die Telekom stellt gerade ihre Flotte von knapp 19.000 Pkw auf E-Antrieb um. Aber auch Zulieferer dieser Konzerne sind betroffen. Auch sie müssen entsprechende Nachweise liefern und Maßnahmen ergreifen um weiterhin Aufträge zu erhalten. Dieser sog. Trickle-Down-Effekt zwingt somit deutlich mehr Unternehmen zum Umstieg auf E-Antrieb.
Aber auch das EnEfG trifft wesentlich mehr Unternehmen als erwartet. Ursprünglich ging die BAFA von 12.400 betroffenen Betrieben aus, die mindestens 2,5 GWh Energie verbrauchen und daher zu Einsparmaßnahmen verpflichtet sind. Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Zahlen nun auf über 55.000 Firmen nach oben korrigiert. Grund ist, dass bei vielen Unternehmen der größte Energieverbraucher der Fuhrpark ist. Bei KMU liegt der Schnitt bei über 50 % des Gesamtenergieverbrauchs.
Rechnet man die Maßnahmen zur Erreichung der Verpflichtungen aus CSRD und EnEfG zusammen, so müssen in 2025 über 30.000 Konzerne und große Unternehmen Maßnahmen zur Dekarbonisierung ihrer Flotten ergreifen. Wenn aufgrund dessen pro Unternehmen im Schnitt 20 Kfz getauscht werden, so ergibt das mindestens 600.000 neu zugelassene Elektrofahrzeuge.
Das ist korrekt. Im Nutzfahrzeugsegment herrscht anders als bei PKWs eine immer noch große Preisdifferenz zwischen konventionellen und elektrischen Antrieben. Gewaltige Antriebsbatterien mit einer Kapazität von 200 bis zu 1.000 kWh (Designwerk) schlagen hierbei mächtig zu Buche. Doch nach der ersten Investition kommen zahlreiche Vorteile zum Tragen. Zum einen sind die laufenden Kosten pro Kilometer aufgrund hoher Effizienz und gesunkener Strompreise vergleichsweise günstig, die Wartungskosten sind ebenfalls niedriger und die Batterie ist extrem langlebig, nach aktuellen Studien hält sie bis zu 1 Mio. Kilometer. In 2025 entfällt für Null-Emissionsfahrzeuge komplett die Autobahnmaut, danach liegt sie bei ca. einem Sechstel der eines Verbrenners. Alleine bei einem Lkw mit 16 t können jährlich zwischen 10 bis 20.000 Euro Mautgebühr eingespart werden. Der Umstieg auf elektrische Nutzfahrzeuge kann zudem als Umweltmaßnahme gemäß CSRD und EnEfG angerechnet werden.
Sie prognostizieren, dass durch Flottenumstellungen in wenigen Jahren erschwingliche gebrauchte Elektroautos auf den Markt kommen werden. Wie realistisch ist diese Entwicklung, und welche weiteren Faktoren spielen eine Rolle? Wann kommt die Preisparität? (Europa vs. China, Batteriepreise unter 100€, etc.)
In China ist die Preisparität bereits heute Realität. Das liegt aktuell an hohen Subventionen und massiven Überkapazitäten bei der Batterieproduktion. Es wurden zwischenzeitlich Zellpreise von unter 50 US$ pro kWh aufgerufen. Skaleneffekte, im Vergleich zum Verbrennungsmotor ein wesentlich einfacherer Aufbau des E-Antriebsstrangs und ein damit verbundener breiter Wettbewerb sorgen dafür, dass der Trend zu immer günstigeren und besseren E-Autos noch länger weitergehen wird. Hierzulande wird es sicher noch ein bis zwei Jahre dauern, bis Preisparität erreicht ist. Zum einen sorgen die neuen EU-Importzölle dafür, zum anderen setzen auch chinesische Autobauer weiterhin auf hochpreisige Modelle mit hohen Margen. Es kommt jetzt darauf an, welche Maßnahmen die neue Bundesregierung ergreifen wird, um die Sektorenziele der EU einzuhalten. Nichts tun ist dabei keine Option, denn dann treffen den deutschen Steuerzahler im Jahr 2030 gut 16 Milliarden Euro für den Zwangskauf von Emissionszertifikaten. Auch stellt sich die Frage, ob und wann Autobauer aus Fernost erste Fertigungsstätten in Europa errichten um die Importzölle zu umgehen. Das könnte vielleicht sogar sehr schnell gehen, indem sie frisch geschlossene Werke des VW-Konzerns übernehmen.
Mit dem populistischen Begriff „Verbrenner-Verbot“ werden Konsumenten massiv in die Irre geführt. Die EU-Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge besagen lediglich, dass ab 2035 ausschließlich Neufahrzeuge CO2-frei unterwegs sein müssen. Verbrenner, die nur mit E-Fuels fahren sind weiter zulässig, Bestandsfahrzeuge sind nicht betroffen. Der Bevölkerung wird hingegen suggeriert, dass ihnen des Deutschen liebstes Kind weggenommen wird. Dem deutschen Autohandel hat das großen Schaden zugefügt, denn die Konsumenten sind verunsichert und kaufen sich erst einmal überhaupt kein neues Auto, egal ob Verbrenner oder Stromer. Glücklicherweise haben der neue EU-Verkehrskommissar Tzitzikostas sowie der Klimakommissar Hoekstra bekräftigt, dass sie an dem sogenannten Verbrenner-Aus festhalten wollen und somit für Planungssicherheit gesorgt.
Die soziale Akzeptanz des E-Autos kann jedoch nur dann erreicht werden, wenn die Fahrzeuge für Normalverdiener erschwinglich werden und das Laden einfacher und günstiger wird. Preisparität ist sicher einer der stärksten Treiber, ein Sozialleasing wie in Frankreich mit monatlichen Raten unter 100 Euro und ohne hohe Bonitätsanforderungen würde den Durchbruch bringen. Gerade bei schmalem Geldbeutel entscheidet am Ende immer der Preis.
Ja! Es geht zwar nur um 15 % weniger CO2-Emissionen, die die OEMs mit ihren Flotten ausstoßen dürfen. Viel schwerer wiegt jedoch der Wegfall des Gewichtsfaktors, der es Autobauern erlaubt hatte, mit schweren SUVs deutlich mehr CO2 auszustoßen, als mit einem Kleinwagen. Volkswagen und Ford müssen nun in Summe ca. 30 % weniger CO2 emittieren als noch in 2024 - ohne E-Mobilität ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht umsonst hat Audi bereits die Preise für Verbrenner deutlich erhöht während der VW ID.3 mittlerweile für unter 30.000 Euro angeboten wird. Ich gehe davon aus, dass es wie in 2021 bald schon wieder Leasingangebote für E-Autos für unter 100 Euro geben wird. Die OEM werden alles tun, um hohe Strafzahlungen zu vermeiden. Ein VW Touareg 3.0 stößt je Motorisierung bis zu 245 g/km CO2 aus, ab 2025 sind aber nur noch 93,6 g/km erlaubt. Das sind 151,4 Gramm zu viel. Pro Gramm und Fahrzeug kostet das 95 Euro Strafe, also sagenhafte 14.383 Euro pro verkauftem SUV. Die Tatsache, dass Autobauer ihre Verbrenner verteuern und E-Autos günstiger in den Markt drücken, stellt somit einen weiteren Treiber in Richtung Preisparität dar.
Ladeinfrastruktur ist ein zentraler Baustein der Mobilitäts- und Energiewende. Die Power2Drive Europe ist als wichtigster Branchentreff sicher eine ideale Plattform und die Hauptanforderungen an eine zukunftstaugliche Ladeinfrastruktur an alle Verantwortlichen zu vermitteln. Letztendlich sind es vier Punkte, die über Erfolg oder Misserfolg der gesamten Branche entscheiden: