Elektromobilität im Aufwind: Chancen, Herausforderungen und Regeln

Experteninterview – 21. Januar 2025

Andreas Varesi, Vorstand Bundesverband Beratung neue Mobilität und Gründer von eMobile Academy

Im Interview mit Power2Drive Europe erklärt Andreas Varesi, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands Beratung neue Mobilität e.V. (BBNM), warum politische Vorgaben wie die EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie (CSRD) und das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) essenziell für den Hochlauf der Elektromobilität sind.

Er beleuchtet, wie die Mobilitätswende Unternehmen und Gesellschaft prägt, welche Rolle Preisparität und Ladeinfrastruktur spielen und wie innovative Ansätze die Akzeptanz fördern können. Ein spannender Blick auf die Mobilität der Zukunft!

Interview mit Andreas Varesi, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands Beratung neue Mobilität e.V. (BBNM)

Die Akzeptanz der Elektromobilität steht und fällt derzeit mit der vorherrschenden Meinungsmache, Bewerbung und Vorgaben. Daher ist die Bedeutung politischer Vorgaben wie der EU -Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und des Energieeffizienzgesetzes (EnEfG)ebenso spannend wie der Preis und Maßnahmen für die Akzeptanz: Wie also sehen deren unmittelbaren Einfluss auf den Hochlauf der Elektromobilität in den kommenden Jahren, insbesondere bei Firmenflotten aus?

Schauen wir uns zunächst die CSRD an. Hier sind in Deutschland ca. 15.000 Unternehmen direkt von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und der Ergreifung entsprechender Maßnahmen betroffen. Viele der heute bereits berichtspflichtigen Unternehmen haben sich das strategische Ziel gesetzt, zwischen 2030 und 2035 ihre Flotte vollständig zu elektrifizieren. Da es sich hierbei um Konzerne handelt, sind die Fuhrparks entsprechend groß. Alleine die Telekom stellt gerade ihre Flotte von knapp 19.000 Pkw auf E-Antrieb um. Aber auch Zulieferer dieser Konzerne sind betroffen. Auch sie müssen entsprechende Nachweise liefern und Maßnahmen ergreifen um weiterhin Aufträge zu erhalten. Dieser sog. Trickle-Down-Effekt zwingt somit deutlich mehr Unternehmen zum Umstieg auf E-Antrieb.

Aber auch das EnEfG trifft wesentlich mehr Unternehmen als erwartet. Ursprünglich ging die BAFA von 12.400 betroffenen Betrieben aus, die mindestens 2,5 GWh Energie verbrauchen und daher zu Einsparmaßnahmen verpflichtet sind. Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Zahlen nun auf über 55.000 Firmen nach oben korrigiert. Grund ist, dass bei vielen Unternehmen der größte Energieverbraucher der Fuhrpark ist. Bei KMU liegt der Schnitt bei über 50 % des Gesamtenergieverbrauchs.

Rechnet man die Maßnahmen zur Erreichung der Verpflichtungen aus CSRD und EnEfG zusammen, so müssen in 2025 über 30.000 Konzerne und große Unternehmen Maßnahmen zur Dekarbonisierung ihrer Flotten ergreifen. Wenn aufgrund dessen pro Unternehmen im Schnitt 20 Kfz getauscht werden, so ergibt das mindestens 600.000 neu zugelassene Elektrofahrzeuge.

Umwelt und Rendite, das geht vielleicht bei PV, aber bei Mobilität nicht zusammen, richtig? Und schon gar nicht bei Fuhrparkbetreiber mit Nutzfahrzeugen. Oder doch? Zumindest deutet dies das Zitat Ihres Vorstandmitglieds Thomas Mertens an: „Zwar schreckt die erste Investition noch zu viele Unternehmen ab, doch damit begehen sie in der Regel einen teuren Fehler“…

Das ist korrekt. Im Nutzfahrzeugsegment herrscht anders als bei PKWs eine immer noch große Preisdifferenz zwischen konventionellen und elektrischen Antrieben. Gewaltige Antriebsbatterien mit einer Kapazität von 200 bis zu 1.000 kWh (Designwerk) schlagen hierbei mächtig zu Buche. Doch nach der ersten Investition kommen zahlreiche Vorteile zum Tragen. Zum einen sind die laufenden Kosten pro Kilometer aufgrund hoher Effizienz und gesunkener Strompreise vergleichsweise günstig, die Wartungskosten sind ebenfalls niedriger und die Batterie ist extrem langlebig, nach aktuellen Studien hält sie bis zu 1 Mio. Kilometer. In 2025 entfällt für Null-Emissionsfahrzeuge komplett die Autobahnmaut, danach liegt sie bei ca. einem Sechstel der eines Verbrenners. Alleine bei einem Lkw mit 16 t können jährlich zwischen 10 bis 20.000 Euro Mautgebühr eingespart werden. Der Umstieg auf elektrische Nutzfahrzeuge kann zudem als Umweltmaßnahme gemäß CSRD und EnEfG angerechnet werden.

Sie prognostizieren, dass durch Flottenumstellungen in wenigen Jahren erschwingliche gebrauchte Elektroautos auf den Markt kommen werden. Wie realistisch ist diese Entwicklung, und welche weiteren Faktoren spielen eine Rolle? Wann kommt die Preisparität? (Europa vs. China, Batteriepreise unter 100€, etc.)

In China ist die Preisparität bereits heute Realität. Das liegt aktuell an hohen Subventionen und massiven Überkapazitäten bei der Batterieproduktion. Es wurden zwischenzeitlich Zellpreise von unter 50 US$ pro kWh aufgerufen. Skaleneffekte, im Vergleich zum Verbrennungsmotor ein wesentlich einfacherer Aufbau des E-Antriebsstrangs und ein damit verbundener breiter Wettbewerb sorgen dafür, dass der Trend zu immer günstigeren und besseren E-Autos noch länger weitergehen wird. Hierzulande wird es sicher noch ein bis zwei Jahre dauern, bis Preisparität erreicht ist. Zum einen sorgen die neuen EU-Importzölle dafür, zum anderen setzen auch chinesische Autobauer weiterhin auf hochpreisige Modelle mit hohen Margen. Es kommt jetzt darauf an, welche Maßnahmen die neue Bundesregierung ergreifen wird, um die Sektorenziele der EU einzuhalten. Nichts tun ist dabei keine Option, denn dann treffen den deutschen Steuerzahler im Jahr 2030 gut 16 Milliarden Euro für den Zwangskauf von Emissionszertifikaten. Auch stellt sich die Frage, ob und wann Autobauer aus Fernost erste Fertigungsstätten in Europa errichten um die Importzölle zu umgehen. Das könnte vielleicht sogar sehr schnell gehen, indem sie frisch geschlossene Werke des VW-Konzerns übernehmen.

Viele konservative Kräfte sprechen von einem „Verbrenner-Verbot“, was zu Verunsicherung in der Bevölkerung führt. Wie beeinflusst diese Diskussion den Hochlauf der Elektromobilität in Deutschland? Und welche konkreten Maßnahmen könnten die soziale Akzeptanz der E-Mobilität beflügeln?

Mit dem populistischen Begriff „Verbrenner-Verbot“ werden Konsumenten massiv in die Irre geführt. Die EU-Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge besagen lediglich, dass ab 2035 ausschließlich Neufahrzeuge CO2-frei unterwegs sein müssen. Verbrenner, die nur mit E-Fuels fahren sind weiter zulässig, Bestandsfahrzeuge sind nicht betroffen. Der Bevölkerung wird hingegen suggeriert, dass ihnen des Deutschen liebstes Kind weggenommen wird. Dem deutschen Autohandel hat das großen Schaden zugefügt, denn die Konsumenten sind verunsichert und kaufen sich erst einmal überhaupt kein neues Auto, egal ob Verbrenner oder Stromer. Glücklicherweise haben der neue EU-Verkehrskommissar Tzitzikostas sowie der Klimakommissar Hoekstra bekräftigt, dass sie an dem sogenannten Verbrenner-Aus festhalten wollen und somit für Planungssicherheit gesorgt.

Die soziale Akzeptanz des E-Autos kann jedoch nur dann erreicht werden, wenn die Fahrzeuge für Normalverdiener erschwinglich werden und das Laden einfacher und günstiger wird. Preisparität ist sicher einer der stärksten Treiber, ein Sozialleasing wie in Frankreich mit monatlichen Raten unter 100 Euro und ohne hohe Bonitätsanforderungen würde den Durchbruch bringen. Gerade bei schmalem Geldbeutel entscheidet am Ende immer der Preis.

2025 greift die nächste Stufe der reduzierten Flottengrenzwerte hin zu einer sauberen Mobilität. Was bedeutet dies für die Elektromobilität und die OEMs? Kommt jetzt der nächste Aufschwung?

Ja! Es geht zwar nur um 15 % weniger CO2-Emissionen, die die OEMs mit ihren Flotten ausstoßen dürfen. Viel schwerer wiegt jedoch der Wegfall des Gewichtsfaktors, der es Autobauern erlaubt hatte, mit schweren SUVs deutlich mehr CO2 auszustoßen, als mit einem Kleinwagen. Volkswagen und Ford müssen nun in Summe ca. 30 % weniger CO2 emittieren als noch in 2024 - ohne E-Mobilität ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht umsonst hat Audi bereits die Preise für Verbrenner deutlich erhöht während der VW ID.3 mittlerweile für unter 30.000 Euro angeboten wird. Ich gehe davon aus, dass es wie in 2021 bald schon wieder Leasingangebote für E-Autos für unter 100 Euro geben wird. Die OEM werden alles tun, um hohe Strafzahlungen zu vermeiden. Ein VW Touareg 3.0 stößt je Motorisierung bis zu 245 g/km CO2 aus, ab 2025 sind aber nur noch 93,6 g/km erlaubt. Das sind 151,4 Gramm zu viel. Pro Gramm und Fahrzeug kostet das 95 Euro Strafe, also sagenhafte 14.383 Euro pro verkauftem SUV. Die Tatsache, dass Autobauer ihre Verbrenner verteuern und E-Autos günstiger in den Markt drücken, stellt somit einen weiteren Treiber in Richtung Preisparität dar.

Welche Rolle kann die Power2Drive Europe als Plattform spielen, um die Mobilitätswende weiter voranzutreiben, und was wünschen Sie sich von der Branche für die kommenden Jahre?

Ladeinfrastruktur ist ein zentraler Baustein der Mobilitäts- und Energiewende. Die Power2Drive Europe ist als wichtigster Branchentreff sicher eine ideale Plattform und die Hauptanforderungen an eine zukunftstaugliche Ladeinfrastruktur an alle Verantwortlichen zu vermitteln. Letztendlich sind es vier Punkte, die über Erfolg oder Misserfolg der gesamten Branche entscheiden:

  1. Das Laden von E-Autos muss so intuitiv, sicher und frei von teuren Überraschungen sein, wie das Führen eines Mobilfunkgesprächs. Genau die Probleme, die wir heute beim öffentlichen Laden haben, hatten wir auch beim Mobilfunk. Spätestens mit der Abschaffung der Roaming-Gebühren im Jahr 2017 durch die EU wurde das gelöst.
  2. Die Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur sollte flächendeckend und mit ausreichender Leistung sein. Hier sollten wir möglichst die Fehler, die wir beim Aufbau von Internet und Mobilfunknetz gemacht haben, nicht wiederholen - die AFIR sorgt dabei für gute Rahmenbedingungen.
  3. Die Branche sollte jedoch nicht auf den Staat und die Netzbetreiber warten sondern kreativ auf veraltete Infrastruktur reagieren. Tesla hat von Anfang an sein eigenes Ladenetz aufgebaut, Nio zeigt auf, dass Batterietausch eine gangbare Lösung ist und in China kommt die Batterieladung per mobilem Laderoboter ChargePal zum Stromer. Übrigens eine Lösung, die Surve Mobility (ehem. Chargery) in Berlin bereits 2017 mit Lastenrädern angeboten hat.
  4. Bidirektionales Laden wird immer wichtiger. Ab 2025 sind mehr mobile Batteriespeicher in E-Autos verbaut, als die 104 GWh, die die Bundesregierung in ihrer Stromspeicher-Strategie für 2030 zur Netzstabilisierung veranschlagt. Technisch brauchen wir bezahlbare BiDi-fähige Wallboxen und Managementlösungen, die möglichst auch ältere E-Autos in Pufferspeicher verwandeln. Zudem muss die Branche Druck auf den Gesetzgeber ausüben, hierfür einen geeigneten Rechtsrahmen zu schaffen.
Weiterführende Inhalte
Neuigkeiten
EU-Energiewendeinitiativen ETIP SNET und BRIDGE präsentieren sich

1. März 2023

Auf einem Gemeinschaftsstand der EM-Power Europe 2023 präsentieren sich die EU-Initiativen ETIP SNET und BRIDGE.

Branchenneuigkeit
EU-Zölle auf chinesische Elektroautos: Ein Balanceakt zwischen fairem Wettbewerb und heimischer Industrie

14. Oktober 2024

Die Europäische Union (EU) befindet sich inmitten entscheidender Weichenstellungen für ihre Handelsstrategie im Bereich Elektrofahrzeuge (EV) und Batterien. Ein aktueller Bericht von Transport & Environment (T&E) analysiert die Auswirkungen der kürzlich eingeführten vorläufigen Zölle auf in China hergestellte Elektrofahrzeuge und beleuchtet die Zukunftsaussichten für europäische Investitionen in Gigafabriken.

Branchenneuigkeit
Frankreich: Neue Bestimmungen zur Parkplatz-PV-Pflicht

30. November 2024

Die neuen Bestimmungen zu Parkplatz-PV in Frankreich regeln die Größe der betreffenden Parkplätze sowie Ausnahmeregelungen und Strafen bei Nichteinhaltung

Branchenneuigkeiten
Handlungsempfehlungen: „Bidirektionales Laden diskriminierungsfrei ermöglichen“

20. März 2024

Die jüngst veröffentlichten Handlungsempfehlungen "Bidirektionales Laden diskriminierungsfrei ermöglichen" der Nationalen Leitstelle für Ladeinfrastruktur wirft ein Schlaglicht auf die Potenziale dieser Technologie.

Branchenneuigkeiten
EM-Power Europe: Start-ups digitalisieren die Energiewelt

21. Mai 2024

Start-ups präsentieren ihre Innovationen für die Energiewende.

Sie verwenden einen veralteten Browser

Die Website kann in diesem Browser nicht angezeigt werden. Bitte öffnen Sie die Website in einem aktuellen Browser wie Edge, Chrome, Firefox oder Safari.