„Die Wachstumsraten bei bestimmten Marken werden sicherlich zweistellig sein“

Experteninterview – 15. Mai 2024

Marcus Zacher, Chefredakteur, elektroautomobil

Von den etwa 1,4 Millionen Elektrofahrzeugen auf deutschen Straßen sind aktuell wenige davon von chinesischen Herstellern. Allerdings hört man häufig, dass der Markt schon bald von ihnen dominiert werden könnte.

Was würde eine Lieferung aus China im großem Rahmen für die deutschen und europäischen Autobauer bedeuten?

Interview mit Marcus Zacher, Chefredakteur von elektroautomobil

Zuletzt sind die Zahlen der Neuzulassungen im März im Vergleich zum Vormonat deutlich gesunken. Ist der Mobilitäts-Boom schon wieder vorbei?

Aktuell besteht eine Nachfragedelle, von der ich nicht annehme, dass sie dauerhaft anhalten wird. Die Förderung ist zwar ausgelaufen, aber die Hersteller haben darauf mit einer Preisanpassung reagiert. In wenigen Monaten, spätestens in einem Jahr wird sich das wieder deutlich wandeln.

Könnten nicht doch größere Probleme wie die nicht so schnell vorangeschrittene Ladeinfrastruktur und die gestiegenen Strompreise den Weg in die E-Mobilität erschweren?

Der Strompreis hat sich leider nicht so entwickelt wie man das erwartet hatte. Wer aber mit seiner eigenen PV-Anlage das Auto lädt oder einen günstigen Stromvertrag abgeschlossen hat, kann auch relativ günstig mit dem Haushaltsstrom laden, muss aber schon etwas genauer rechnen. Je mehr man allerdings auf die öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen ist, desto schwieriger ist die Kostenrechnung. Trotz allem bestehen weiterhin Vorteile wie beispielsweise das Aussetzen der Kfz-Steuer bis 2028, oder die THG-Quote. So können pro Jahr nochmals zwischen 100 und 200 Euro eingespart werden. Ebenso sind die Wartungskosten günstiger und es hängt von der Art der Finanzierung ab. Beim Leasen z.B. trägt man kein Restwertrisiko. Eine pauschale Aussage zu treffen ist schwierig.

Wenn diese Vorteile dazu führen sich ein Elektroauto zuzulegen, muss man sich zwischen verschiedenen Herstellern entscheiden. Einige davon kommen von deutschen und europäischen Automobilbauern, aber einige auch aus China. BYD beispielsweise hat Volkswagen in China als absatzstärksten Hersteller mittlerweile abgelöst und deutlich mehr Fahrzeuge als Tesla verkauft. Was erwartet uns diesbezüglich von chinesischer Seite?

Es wird sich sicherlich auch dauerhaft etablieren, dass chinesische Autobauer den chinesischen Markt dominieren werden. Die Produkte sind gut und die chinesischen Hersteller verstehen ihren Markt und wissen, welche Produkte sie anbieten müssen. Beim Export trifft das nicht zu, was derzeit noch zu einer Kaufzurückhaltung führt. Daher sehen wir noch keine riesigen Mengen an chinesischen Marken auf unseren Straßen. Aber auch das wird sich ändern. Es gab in der Vergangenheit schon Automobil-Exportnationen die nach Europa gekommen sind ohne dass sie die europäische Autoindustrie komplett überrollt haben. Das waren erst japanische Hersteller und Anfang der Neunziger koreanische Hersteller. Sie haben sich Marktanteile gesichert und sind heute etablierte Wettbewerber. Ähnlich wird es sich mit China verhalten. Es wird noch dauern bis die chinesische Industrie hier etabliert ist und die Marken hier anerkannt werden.

Im Moment sieht man auf der Straße noch wenige chinesische Marken. Allerdings sind bereits erste große Frachtschiffe unterwegs. Werden wir noch in diesem Jahr von chinesischen Herstellern überrollt?

Die Wachstumsraten bei bestimmten Marken werden sicherlich zweistellig sein. BYD ist einer der großen Anbieter mit einem breiten Produktportfolio, das sie Stück für Stück nach Europa bringen. Die Modelle, die nach Europa kommen werden sind nur ein kleiner Teil dessen, was BYD in China anbietet. Der Hersteller ist sogar so weit gegangen, eigene Schiffe zu bauen um die immensen Charterpreisen bei den Schiffstransporten zu umgehen. So können die Fahrzeuge dann nochmal etwas günstiger angeboten werden. Sicherlich wird der Hersteller versuchen, den europäischen Markt zu fluten. Allerdings braucht das seine Zeit bis das Vertrauen in eine neue Marke gewachsen ist, daher wird es keinen sprunghaften Absatzzahlen geben.

BYD ist ja keine ganz unbekannte Marke, sie haben sich ja schon bei den Batteriespeichern einen Namen gemacht. Ist daher absehbar, wieviel Prozent Marktanteil auf den chinesischen Hersteller entfallen wird, wenn man von einer halben Million Neuzulassungen ausgeht?

Im kommenden Jahr könnte sich das im höheren einstelligen Bereich bewegen, zwischen acht und neun Prozent. Perspektivisch gesehen kann es sich zwischen 15 und 20 Prozent einpendeln. Das wären dann hohe Zahlen, die natürlich auch von politischen Entwicklungen abhängig sind.

Was unterscheidet den chinesischen vom deutschen Markt und welche chinesischen Modelle haben hier eine Chance?

In China wird großen Wert daraufgelegt, dass alles miteinander vernetzt ist und die Geräte miteinander kommunizieren können. Connectivity ist wichtiger als beispielsweise ein perfekt austariertes Fahrwerk und eine perfekte Lenkung. Die Fahrzeuge sind mit buntem Interieur ausgestattet und wirken spielerischer, fast schon wie Konzept-Autos. Eine Vielzahl an E-Autos sind in China von schlichter Herstellungsweise und sehr günstig zu haben. An unserem Markt wäre das nicht möglich schon alleine hinsichtlich gewisser Standards, die bei uns gelten.

In Deutschland ist von VW der ID2 angekündigt und von Tesla das Model 2. Beides wird noch eine Weile dauern. Hat China Modelle in der Pipeline, die einfach nur zu uns verschifft werden brauchen um den Kleinwagenmarkt zu füllen?

Ein Modell, das in China produziert wird und hier bereits recht erfolgreich auf dem Markt ist, ist der Dacia Spring. Er wird in Zusammenarbeit mit Renault bei Dongfeng produziert. Unter chinesischem Markennamen kommt der BYD Dolphin Mini auf den Exportmarkt. In Süd-und Mittelamerika ist er schon verfügbar, es ist auch schon bestätigt, dass er nach Europa kommen wird. Die Basisvariante wird in China für ca. 10.000 Euro angeboten, für Europa wird sicherlich das Ausstattungsniveau angepasst. Zusammen mit der Mehrwertsteuer und den Zöllen, der erwarteten Marge und der angepassten Ausstattung wird dieses Fahrzeug hier ungefähr bei 20.000 Euro liegen.

Bei der Marge spielt natürlich die Organisation des Vertriebs eine Rolle. Tesla beispielsweise hat den digitalen Weg beschritten, chinesische Autobauer wählen den direkten Weg uns bringen von Anfang an ein europäisches Modell heraus. In welche Richtung tendiert die Vermarktung hier in Deutschland?

Das wird tatsächlich überwiegend klassisch über Autohäuser funktionieren. Der reine online-Vertrieb den Tesla nutzt ist zwar sehr attraktiv, weil keine Händler dazwischengeschaltet sind, die ebenfalls ihre Marge haben wollen. Dieses Modell hat sich aber bisher bei anderen Wettbewerbern, die rein auf den online-Kanal gesetzt haben, noch nicht ausgezahlt. Die Marke MG, die zum chinesischen SAIC-Konzern gehört oder BYD werden mittlerweile von Autohäusern angeboten, die bisher beispielsweise Ford oder BMW verkauft haben. Hier ist sofort eine Kundenbindung da wenn der Interessent im Autohaus das Fahrzeug sehen kann. Dieser klassische Händlerweg scheint besser zu laufen als ein Händlernetz mit reinen Markenhäusern. Sogenannte flagship stores in etablierter Lage dienen eher dazu, eine Marke bekannt zu machen, weniger um Verkaufsverträge abzuschließen.

Gibt es Konflikte, wenn man als Autohändler verschiedene Marken im Portfolio hat?

Ein Kunde, der sich für einen BMW X1 oder den Elektro-Ableger interessiert, wird jetzt sicherlich nicht auf einen BYD umschwenken. Das Prestige und die Markenbildung sind enorm wichtig, je kostenintensiver das Segment ist. Und der Kunden dem ein BMW oder ein Mercedes zu teuer geworden ist, entscheidet sich dann eher für einen BYD oder MG. Somit ergänzen sich verschiedenen Marken in einem Autohaus.

Wie schnell sind denn chinesische Fahrzeuge lieferbar?

Das hängt von der Modellauswahl ab. Chinesische Autohersteller haben eine sehr eingeschränkte Varianz. Die Auswahlmöglichkeiten beschränken sich meistens auf die Lackfarbe oder die Farbe des Innenraums. Die Fahrzeuge werden alle schon vorproduziert und mit dem Schiff regelmäßig hergebracht. In der Regel steht das Wunschmodell bei irgendeinem Händler schon auf dem Hof und kann innerhalb kurzer Zeit ausgeliefert werden. Ist das nicht der Fall muss man auf die nächste Schiffslieferung warten.

Wenn man Marken wie MG, Dacia, Volvo oder Volkswagen betrachtet: wieviel China steckt denn eigentlich in den Autos?

Bei E-Autos ist die Batterie die teuerste Komponente. Da sind meistens chinesische Zellen, vor allem vom Weltmarktführer CATL verbaut. Dieser und andere chinesische Zellhersteller betreiben aber schon Werke in Europa. Durch die Globalisierung ist es aber mittlerweile schwer zu definieren, wieviel China in einem Auto steckt. Einige etablierte Autobauer wie Volvo mit dem EX90, Polestar, Lotus Cars, BMW mit dem iX3, alle Smart-Modelle oder VW mit dem ID.5 und Seat mit seinem Cupra-Ableger produzieren in China und beliefern von dort aus den Weltmarkt.

Was passiert mit den deutschen und europäischen Autobauern, wieviel von der Wertschöpfungskette bleibt hier und reicht das aus um im Preiskampf bestehen zu können?

Ein großer Wertschöpfungsanteil wird über die Errichtung von Batterieproduktionsstätten in Europa zurückgeholt, weil man erkannt hat, dass die starke Abhängigkeit auf Dauer nicht gut ist. Rohstoffe werden immer importiert werden müssen, aber nicht zwangsläufig aus China. Einige Komponenten wie E-Motoren können ebenfalls hier gefertigt werden, wodurch die das Gebunden-sein an Lieferketten reduziert wird.

Ein Garant dafür, das Wertschöpfungsketten hier bleiben ist die Innovation. Welche technologischen Sprünge können wir im Bereich E-Mobilität noch erwarten?

Die europäische, speziell die deutsche Autoindustrie ist im Segment Schnellladen gut aufgestellt. Der Porsche Taycan ist hier einAushängeschild mit einer Ladeleistung von 300 kW. Momentan ist das noch ein Premiumprodukt, aber die Technik wird mit der Zeit bezahlbarer und kommt auch später in der Mittelklasse an. Im Thema Vehicle to Grid, also beim bidirektionales Laden steckt viel Potential. Bei der Batterieentwicklung werden wir ein stetiges Wachstum sehen, in dem die etablierte Technik weiter verfeinert wird. Die großen Innovationssprünge werden wahrscheinlich eher von außen kommen. Gute Chancen hat die deutsche Industrie aber wenn es darum geht neueste Technologie zu verfeinern, was gerade im Bereich Cell-to-Pack geschieht, wo die Zelle direkt in die Batterie eingebaut wird. Über den Bereich E-Autos hinaus ist das Thema Assistenzsysteme und autonomes Fahren ein Feld, in dem die deutsche Industrie - gegenläufig vieler Behauptungen – mithalten kann.

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