Die Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland und Europa schreitet voran, trotz anhaltender Herausforderungen wie Infrastrukturausbau und Technologieintegration. Diese Schritte markieren den Beginn einer komplexen Transformation im Verkehrssektor, die entscheidend sein wird für die Erreichung langfristiger Klimaziele.
Kurt Sigl, Präsident des Bundesverband eMobilität (BEM), spricht im Interview über den Status Quo der Elektromobilität in Deutschland, Forderungen an die Politik sowie die Rollen vom BEM und der Power2Drive.
Nun, wir haben 2023, die Bundesregierung hat sich aus der direkten Förderung für den Absatz von eAutos beim Endkunden zurückgezogen, während es für fossile Fahrzeuge noch mannigfaltige Steuerermäßigungen gibt. Wir sind mit weniger als zwei Millionen ePkw auf deutschen Straßen weit vom Ziel der 15 Millionen eAutos entfernt, die im Koalitionsvertrag für 2030 festgeschrieben sind. Deutsche OEM´s haben sicherlich aufgeholt darin, attraktive Modelle anzubieten, diese sind aber teuer und es dauert bis zur Auslieferung.
Währenddessen senken chinesische Anbieter und der US-amerikanische Anbieter Tesla die Preise deutlich, was auf Kundenseite sicherlich erfreulich ist, für den deutschen Automobilstandort allerdings doppelten Stress bedeutet. In Summe haben hat es unser Land bis jetzt nicht verstanden, die Elektromobilität zum wirtschaftlichen und zum ökologischen Vorteil zu gestalten.
Die Ladeinfrastruktur kommt voran, ist aber noch weit vom Ausbauziel entfernt. Schwierig ist es vor allem in den Städten mit wenig Platz, nicht nur zum Laden, sondern auch zum Parken – hier braucht es mehr kluge, lokale Lösungen. Deutlichen Verbesserungsbedarf gibt es bei Arbeitgebern, die noch am Anfang des Ausbaus stehen.
Hier fehlt es an ausreichend Ladepunkten und hinreichenden Qualitätsmerkmalen für Ladesäulen, es fehlt aber auch an gesamtheitlichen Energie-Managementprogrammen und Businessmodellen fürs Laden beim Arbeitsgeber. Hier sollten steuerliche Anreize mehr Bewegung in die Versorgung mit Ladeinfrastruktur bringen, damit Ladevorgänge verlässlich sind und ein Großteil des Ladebedarfes bedient wird.
Regulatorisch vermisst der BEM ein Gesamtkonzept, wonach Ladeinfrastruktur auch in abgelegenen Regionen aufgebaut wird. Bislang gibt es nur den Weg der THG-Quote, Investments zu unterstützen. Der Regulierer sollte deshalb den THG-Handel stärken und die Investition in die Verwendung von grünen Strom vorantreiben.
Die Power2Drive ist die einzige Messe weltweit, welche die drei Module Elektromobilität, Energie und Speicher zusammenbringt. Dieser Dialog schafft neuartige Sichtweisen in Effizienz und Effektivität grüner Wirtschaft, mit denen man sinnvoll auf die globalen Konflikte und auch galoppierende Energiepreise reagieren kann. Wir glauben, dass in diesem Zusammenspiel der Erfolg für die Zukunft liegt, deshalb sind wir großer Fan der Messe.
Ich geh davon aus, dass wir weitere Innovationen im bi-direktionalen Laden sehen werden. Ich rechne weiterhin mit einer rasanten Entwicklung im Batteriemarkt, insbesondere mit neuen Technologien und Geschäftsmodellen für den Bereich Second Life und bei effektivem Recycling.
Die Arbeit des BEM fördert die Elektromobilität, indem wir Zusammenhänge erklären, die Akteure vernetzen, aktuelle politische Vorgänge einordnen, Einzelthemen beraten und insgesamt für die neuen Technologien werben. Durch den Einblick in die Branche haben wir besondere Anregungen initiiert bei der Sichtbarmachung von Leichtfahrzeugen, bei eTrailern und Electric Trucks, im Maritimen Bereich, aber auch im Thema Seilbahnen und in vielerlei Hinsicht für neues regulatorisches Denken.
Dass die Elektromobilität nur zusammen mit der Erneuerbaren Energie eine wirkliche Alternative zur herkömmlichen Mobilität darstellt, hat sich inzwischen herumgesprochen. Was zur Realisierung fehlt, ist ein belastbares Stromnetz, das zügigst in Schwung gebracht werden muss. Hier hat der Staat sehr lang geschlafen und muss jetzt dringend die Funktionalitäten verbessern.
Leichtfahrzeuge ergänzen das Fahrzeugangebot bedarfsgerecht zum Fahrprofil. Für kurze motorisierte Wege in der Stadt muss nicht zwangsläufig ein Zweitonnenfahrzeug bewegt werden, das zudem noch viel Platz zum Parken benötigt. Hier sind Leichtfahrzeuge aus energetischer Sicht eine sinnvolle Alternative und liefern mehr Einsparmöglichkeiten, als das Autos dies leisten können.
Der BEM wirbt seit Bestehen des Verbandes für Leichtfahrzeuge, die inzwischen deshalb öffentliche Aufmerksamkeit genießt, weil deutsche Autobauer es versäumt haben, ausreichend kleine Fahrzeuge herzustellen. Um die Nachfrage hier anzuregen, erwarten wir vom Gesetzgeber die Aufnahme der Leichtfahrzeuge in den THG-Handel und die Gewährung sämtlicher Privilegien für energiebewusstes und umweltschonendes Verhalten.